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Mir hat einmal jemand gesagt, dass ihm einmal jemand gesagt hat, dass man einmal im Jahr nach Rom fahren sollte. Vieles darin ist problematisch – nicht jede*r kann es sich leisten, grossomodo 80 Euro/Nacht für eine Unterkunft auf den sieben Hügeln zu zahlen, in Italien regiert die faschistische Meloni-Regierung und es scheint notwendig, dafür zwei Kurzstreckenflüge zu buchen. Dennoch habe ich diesen Rat befolgt und bin zum mediterranen Winterende das dritte Jahr in Folge nach Rom gereist.
Ich möchte zu Beginn fast einer jeden Reise an den Ort ziehen, den ich besuche – egal, ob ich in Luckenwalde oder New York City bin, in Bern oder Ferrara. Meine Vertrauten machen bereits vor meinen Aufbrüchen aus Berlin Witze darüber, dass sie sich schon auf die Wohnungsanzeigen freuen, die ich ihnen sicherlich bald schicken werde. Doch während meine life-changing Pläne normalerweise am dritten Tag an einem (neuen) Ort anfangen, zu stinken wie der Fisch, nimmt meine Motivation in Rom mit jedem Tag zu. Zuverlässig löst Italiens Hauptstadt in mir Gefühle der Affinität aus. Rom ist so schön. Genauer macht es den Anschein von ausschweifender Schönheit, als gäbe es dort einen ästhetischen Überschuss, der sich nie erschöpft, egal, wie viele Fotos ich mache von Tankstellen und Ladenfenstern, egal, wie viele solcher Sätze ich schreibe: “Ich fotografiere immer ins Gegenlicht in Rom, weil es zu viel Licht gibt.” Aber es ist mehr als das: In Rom habe ich zum ersten Mal seit Monaten das Gefühl, dass meine Depression der letzten Monate sich bewegt, dass sie weicher wird und stellenweise durchlässig. Ich sitze in einem Café, schaue auf die Espressotassen, das scherzende Ehepaar mit dem Rauhaardackel am Nebentisch, auf die kleinen gelben Autos, die eins nach dem anderen an mir vorbeifahren, und fühle mich auf eine Art und Weise präsent, wie seit Wochen nicht mehr. Warum fühle ich mich so grounded in Rom, so aufrichtig verhaftet in meiner Umgebung?